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Gesundheit ist Führungsaufgabe - Interview mit Prof. Dr. Ahmed A. Karim, Psychotherapeut und Neurowissenschaftler

Prof. Dr. Ahmed A. Karim Psychotherapeut und Neurowissenschaftler Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen

Im Nachgang zu seinem spannenden Vortrag bei unserem Treffen für (neue) Geschäftsführungen hat Prof. Dr. Ahmed A. Karim ,Psychotherapeut und Neurowissenschaftler Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie inTübingen, für uns noch einmal die wichtigsten Fragen zum Thema gesundes Führen, Auswirkungen von Stress und Achtsamkeit beantwortet:

 

Wie wirken sich negative Gedanken und andauernder seelischer Stress auf unseren Körper und unser Verhalten aus?

Es ist eines der interessantesten Entdeckungen der Gehirnforschung, dass Gedanken Materie verändern können. Gedanken können daher auch krank machen. Zahlreiche Studien zeigen, dass insbesondere grübelnde negative Gedanken nicht nur mit Gehirnveränderungen einhergehen, sondern auch mit einer Vielzahl von somatischen Veränderungen. Chronischer psychischer Stress sowie auch chronische negative Gedanken (auch ohne reale Gefährdung) gehen mit einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung aus den Nebennierenrinden einher, die wiederum das Immunsystem inhibieren sowie Nervenzellen im sogenannten Hippocampus schädigen, eine Gehirnstruktur, die bei Gedächtnis und Lernen eine entscheidende Rolle spielt. Bei chronischem Stress ohne geeignete Coping-Strategien kann jeder Mensch mit einem oder mehreren Organen pathologisch reagieren. Manche reagieren mit Magen-Darm-Beschwerden, andere mit muskulären Verspannungen, Kopfschmerzen, kardiovaskuläre Störungen, Schlafstörungen etc. Dieses Phänomen nennt man die Reaktionsspezifität, d.h. jeder Mensch neigt dazu, bei chronischem Stress mit einem für ihn typisch krankhaftem Prozess zu reagieren. Warum jeder Mensch eine spezifische krankhafte Reaktion zeigt liegt sowohl in der Genetik als auch in den Sozialisations- und Lernerfahrungen des Patienten.

 

Wie kann hier aktiv eine Veränderung erfolgen?

Als erstes muss man zwischen Prävention und Therapie unterscheiden. Im Rahmen von Kursen zur Förderung der psychosomatischen Gesundheit können Menschen eine Vielzahl von Methoden und Skills erlernen, um eine gesunde Work-Life-Balance herzustellen und dadurch psychosomatische Krankheiten vorzubeugen. Hierzu gehören z.B. Achtsamkeitsübungen in der Natur und im Wald, Entspannungsverfahren, Kurse zur gesunden Ernährung aber auch Seminare zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit und der sozialen Kompetenz. Außerdem wäre es sinnvoll, wenn insbesondere Führungskräfte nicht nur solche verhaltenspräventive Maßnahmen kennen, sondern auch verhältnispräventive Maßnahmen, d.h. Maßnahmen die die äußeren Bedingungen am Arbeitsplatz positiv beeinflussen.

Wenn jedoch bereits psychische oder psychosomatische Krankheiten vorlegen, sollte man professionelle Hilfe ambulant oder auch stationär in Anspruch nehmen.

Im Rahmen einer Psychotherapie wird eine biographische Anamnese durchgeführt, anhand dessen herausgearbeitet wird, warum ein Patient im Laufe seiner Biographie gelernt hat, genauso zu reagieren. Für welches Verhalten waren die Eltern und weitere wichtige Bezugspersonen Modell? Welche Ressourcen besitzt ein Patient? Wie sehen seine sozialen und kommunikativen Fähigkeiten aus? Hat er Mobbing-Erfahrungen gemacht? Das sind einige wichtige Aspekte, die wir erfassen müssen, um einen individuell angepassten Therapie-Plan zu entwickeln. Viele Patienten denken, dass im Rahmen einer Psychotherapie nur „gesprochen“ wird. Das ist insbesondere im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie nicht richtig, vielmehr wird bei jeder psychischen und psychosomatischen Störung spezifische Übungen durchgeführt, anhand dessen der Patient lernt, dysfunktionale Gedanken und Verhaltensweisen durch funktionale zu ersetzen. Erst durch diese regelmäßigen Übungen bilden sich neue Netzwerke im Gehirn, die dem Körper dazu befähigen mit den Herausforderungen im Alltag besser zurechtzukommen. 

 

Gesundheit ist Führungsaufgabe: Was sind hier die zentralen Aspekte, die Führungskräfte als Vorbild für ihre Belegschaft beachten sollten?

Das ist richtig. Führungskräfte sollten sich dessen bewusst sein, dass ihr Verhalten als Vorbild dient. Dazu gehört aktives Pausenmanagement, Umgang mit Überstunden, eine Gesprächskultur der gegenseitigen Unterstützung und Anerkennung pflegen. Mehrere Studien zeigen, dass Anerkennung und Lob zu den wichtigsten Faktoren für Arbeitszufriedenheit gehören. Die Führungskraft kann diese Anerkennung nicht nur verbal, sondern insbesondere auch non-verbal zeigen. Dazu gehört z.B. auch mit welcher   Mimik und welchem Tonfall die Führungskraft ihre Mitarbeiter begrüßt. Fortbildungen für Führungskräfte sollten daher auch Kommunikationstraining enthalten. Wie werden Mitarbeitergespräche durchgeführt? Wie wird Kritik kommuniziert? Wie können Mitarbeiter intrinsisch motiviert werden? Gibt es überhaupt eine Unternehmensvision und wie wird sie kommuniziert? Führungskräfte sollten außerdem zumindest Grundkenntnisse über verhaltenspräventive und verhältnispräventive Maßnahmen zur Förderung der psychosomatischen Gesundheit von Mitarbeitern verfügen. In Kooperation mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement sollten Seminare und Workshops organisiert und in den einzelnen Abteilungen besprochen werden, welche Angebote sinnvoll sind. Für Mitarbeiter, die von einer längeren Erkrankung zurückkommen, sollten Konzepte zum  betrieblichen Eingliederungsmanagement entwickelt werden.

 

Die Unternehmensvision: Wie wichtig ist diese Vision für die Führungskraft und ihre Beschäftigten?

 Die Entwicklung und Kommunikation einer Unternehmensvision kann entscheidend dazu beitragen, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter zu entfesseln und ihnen das Gefühl zu geben, bei etwas Wichtigem dabei zu sein. Ihre Arbeit bekommt dann einen größeren Sinn. Mitarbeiter, die von einer Unternehmensvision inspiriert werden, leisten eben nicht nur das notwendigste, sondern können ihr ganzes Potenzial kreativ einsetzen, um diese Vision zu verwirklichen. Interessanterweise wird der Stress, der bei sinnvollen und faszinierenden Aufgaben entsteht, ganz anderes bewertet und wirkt sich auch positiver auf den Körper aus, als der Stress, der bei Aufgaben entsteht, die als „wenig sinnvoll“ und „wenig inspirierend“ wahrgenommen werden. 

 

 

 Literaturempfehlungen:

1.    Crego, A., Yela, J.R., Gómez-Martínez, M.Á., Karim, A.A. (2019). The contribution of meaningfulness and mindfulness to psychological well-being and mental health: A structural equation model. Journal of Happiness Studies, 1-24.

Link: https://www.researchgate.net/publication/337153102_The_Contribution_of_Meaningfulness_and_Mindfulness_to_Psychological_Well-Being_and_Mental_Health_A_Structural_Equation_Model

 

2.       Karim, A.A., Khalil, R., Schmitt, M. (2020). Wald reloaded – Die Neuentdeckung des Waldes aus gesundheitspsychologischer Sicht. Zeitschrift für Komplementärmedizin, 12 (02), 24-30.

Link: https://www.researchgate.net/publication/340723000_Wald_reloaded_-_Die_Neuentdeckung_des_Waldes_aus_gesundheitspsychologischer_Sicht

 

3.    Häfner, A., Pinneker, L., Hartmann-Pinneker, J. (2019). Gesunde Führung: Gesundheit, Motivation und Leistung fördern. Springer Verlag

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